T209

Kapitel 20.9 im Jahr 2013

Letzter Spaziergang im Wald
Am Montag frisst Balu morgens wieder etwas von seinem Futter. Er ist auch auf der Parkrunde wieder relativ munter. Beim abendlichen Spiel im Garten macht er eifrig mit. Er schleppt sogar am späten Abend seinen grossen Teddy wieder herum, was er lange nicht mehr gemacht hat. Da er auch am Dienstag morgen noch so agil wirkt, nehme ich ihn mit zu unserem wöchentlichen Übungsspaziergang mit meiner Freundin und der sieben Monate alten Riska. Er weint begeistert, als wir vor ihrem Haus ankommen und er sie begrüssen kann. Im Wald läuft er anfangs zu unserer Überraschung sogar ein Stück im Trab mit uns mit. Er fordert eifrig seine Leckerchen für alle Übungen ein, die ich ihn parallel zu Riska machen lasse. Auf dem Foto üben wir gerade das Liegenbleiben.

Riska und Balu Juni 13500

Wir bummeln wieder langsam durch den Wald, weil wir überall Übungen machen. Doch als wir einen kleinen Anstieg hinter uns haben, nach dem es dann gemütlich wieder Richtung Auto geht, wird Balu plötzlich sehr langsam. Ich beschäftige meine Freundin mit Riska mit Übungen auf der Stelle, damit er eine Pause hat. Doch es ändert nichts. Selbst mein Würstchen Leckerchen, auf das er gerade noch so wild war, interessiert ihn plötzlich nicht mehr. Ich wähle deshalb eine Abkürzung zum Auto. Doch Balu legt sich nach ein paar Metern hin und kann nicht mehr weiter gehen. Wir beschliessen, ihn mit dem Auto zu holen.
Während ich auf meine Freundin mit dem Auto warte, sitze ich unruhig neben meinem vierbeinigen Freund. Ich habe die Befürchtung, dass er mir hier im Wald stirbt. Denn er atmet sehr schwer und sein Blick wirkt abwesend. So, als ob er in sich hinein horcht. Es kommt mir so vor, als ob etwas in ihm zerbrochen wäre. Macht sein Herz nicht mehr mit? Ich streichele ihn beruhigend, nehme dann seine Ohren und mache eine Touch-Behandlung, um den Kreislauf wieder in Gang zu bringen. Dankbar leckt er mir kurz die Hand.
Als das Auto da ist, können wir ihn über die Treppe gut in den Kofferraum bringen. Dort liegt er nun schweratmend. Wir Frauen schauen uns nur vielsagend mit traurigem Blick an.
Ich bringe Balu sicher nach Hause. Als ich dort die Heckklappe öffne, sehe ich, dass er am ganzen Körper zittert. Doch das verschwindet schnell wieder. Es kann sein, dass es aufgrund der Anstrengung war, um aufzustehen. Im Haus legt er sich sofort nach ein paar Schritten im Wohnraum nieder. Wolfgang kommt erschrocken herbei, weil ich sage, dass ich glaube, dass Balu stirbt. Dieser wirkt weiter geistig abwesend. Ich bleibe in seiner Nähe, damit er nicht aufstehen muss, weil er mir ja immer folgen will. Als ich nach einer Weile doch einmal den Raum verlasse, bleibt er dennoch liegen. Zum ersten Mal in seinem Leben, dass er mir nicht direkt folgt. Wir stellen den Wassernapf neben ihn, nachdem er auch trotz Anbieten nichts trinken mag. Erst nach einigen Stunden steht er auf, um etwas zu trinken, legt sich aber sofort wieder hin. Bewegungslos liegt er stundenlang auf dem Bauch, so als ob er diesen auf den Fliesen kühlen wollte. Er leidet still vor sich hin.
Als ich gegen Abend in mein Zimmer gehe, um diese Zeilen zu schreiben, folgt er mir. Ich weiss, dass er nur glücklich und zufrieden ist, wenn er bei mir sein kann. Doch auch in meiner Nähe liegt er in dieser merkwürdigen Bauchlage. Nur den Kopf legt er ab und zu von einer Pfote auf die andere. Ansonsten rührt er sich nicht. Er leidet ganz offensichtlich.
Dieses Verhalten wurde mir von Hunden berichtet, die an Tumoren litten. Es ist möglich, dass ein Lebertumor die Ursache dafür ist. Mein Blick geht immer wieder zu meinem besten Freund, um zu sehen, wie es ihm geht, ob er noch atmet. Ja, ich denke wirklich, dass er stirbt.
Ich muss daran denken, dass seine Schwester Bernice erst vor wenigen Wochen eingeschläfert werden musste. Sein Bruder Balko starb bereits im letzten Herbst. Von seinen Geschwistern lebt, laut Aussage des Züchters, den ich vor unserem letzten Wäller Treffen traf, nur noch Baxter. Am 25. Juli 2013 ist ihr zwölfter Geburtstag.

Wir nehmen Abschied von Balu
In dieser Nacht zum Mittwoch, den 5. Juni schlafen wir sehr unruhig, schauen immer wieder nach unserem Freund. Doch der liegt weiter still an einer Stelle, rührt sich kaum. Ab und zu klopft er mit der Rute auf den Boden, wenn wir zu ihm gehen, ihm liebevoll über den Kopf streicheln. Am Abend hatten wir noch versucht, ihn zu einem Pipigang zu überreden. Doch vergeblich.
Am Morgen starten wir einen neuen Versuch. Doch Balu geht nur wenige Schritte mit uns, will weder weder die Treppe hinab in den Garten, noch die Auffahrt auf die Strasse hinauf gehen. Sein flehender Blick zu mir sagt überdeutlich: “Ich kann dir nicht mehr folgen. Ich leide sehr.” Er hat ganz offensichtlich zu starke Schmerzen, um sich zu bewegen.
Wir entscheiden uns schweren Herzens, den Tierarzt anzurufen, um ihn davon zu erlösen. Er sagt zu, am Mittag zu kommen. Wir können die Tränen nicht mehr zurück halten. Es ist so endgültig. Ich setze mich zu meinem “Lüli”, wie ich ihn seit Jahren liebevoll nenne. Ich kraule und streichele ihn und nehme viele Stunden lang in aller Stille Abschied.
Ich denke an all die schönen Jahre, die wir zusammen verbracht haben. Er hat uns immer nur Freude gemacht. Er war ein Alleskönner, wie er besser nicht hätte sein können. Das war für mich als Hundesportlerin einfach genial. Er war immer aufmerksam und aktiv, um zu schauen, was er für mich machen könnte. Hochintelligent. Mit einem Augenzwinkern dirigierbar. Er war ein so unglaublich feinfühliger Hund, der wirklich auf die feinste Gestik reagierte. Für viele Aussenstehende wirkte es wie Gedanken lesen. Dazu war er nicht nur für uns vom Aussehen her wunderschön. Offensichtlich traf sein äusseres Erscheinungsbild auch den Geschmack sehr vieler Menschen. Sein Leben lang wurden wir immer wieder auf ihn angesprochen. Wenn er sich dann noch diesen Menschen in seiner ruhig freundlichen Art zuwandte, dann ging die Bewunderung in der Regel in Begeisterung über.
Er hat wirklich das Seine dazu getan, um für seine Rasse die beste Reklame zu laufen. Er fiel einfach überall nur positiv auf.
Balu war unser absoluter Traumhund, ein Wäller, wie ich ihn mir gewünscht hatte. Er verkörperte vollends das Zuchtziel, das ich mir bei der Wäller Zucht gesteckt hatte.
Mein grosser Dank gilt deshalb den Züchtern Ruth und Peter Krause, die es ermöglichten, dass wir diesen Hund bekamen. Ich wünsche und hoffe, dass noch viele Wäller geboren werden, die seine Art besitzen und damit noch viele Menschen glücklich machen werden. So, wie es Balu in den fast zwölf Jahren seines Lebens gemacht hat.
Danke, mein geliebter Balu. Es wird sehr schwer werden ohne dich.
Um halb zwei kam der Tierarzt, den Balu freundlich begrüsste. Dann ging es sehr schnell, und er verliess uns für immer.
In seinen Filmen und Fotos und natürlich in unserer Erinnerung wird er weiter leben.
Unsere Wanderfreunde schenkten uns am nächsten Tag einen kleinen Balu-Gedenkbaum, den ich im Garten einpflanzte. Mag er uns mit seinen vielen gelben Blüten an die Vielseitigkeit dieses wunderbaren Wällers erinnern.
Damit enden meine Erzählungen über zwölf wundervolle gemeinsame Jahre.

Standbild am See

Balu 2003 am Wiesensee im Westerwald

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